Am 12. Juli 2016 ist Voice-Commerce in die Welt des Einzelhandels eingezogen. Amazon konnte seinen ersten großen Hit mit Alexa verzeichnen: Während des zweiten jährlichen „Prime-Day“ hat das Unternehmen erstmals seinen Kunden angeboten die Bestellung exklusiver Deals direkt über den Sprachassistenten aufzugeben. Sekündlich trudelten Sprachbestellung ein, bis dato Alexas größter kommerzieller Erfolg. Der Grundstein für Voice-Commerce wurde gelegt.
Blicken wir zu fern in die Zukunft, wenn wir behaupten, dass V-Commerce schon bald das alltägliche Einkaufsverhalten der Konsumenten beeinflussen wird? Eines ist jedenfalls klar: V-Commerce wird weiterbestehen und sich rapide weiterentwickeln. Händler sollten den Trend wahrnehmen und die Möglichkeiten abschöpfen, bevor es zu spät ist, denn das neue Commerce-Konzept wird sich allmählich zum neuen Status Quo im Einzelhandel etablieren.
Trotz wachsendem Enthusiasmus, möchten wir erst einmal einen Schritt zurücknehmen und von Anfang an beginnen:
“Hands-Free Technology” – Was ist V-Commerce?
Obwohl das Konzept der Sprachsteuerung eine vermeintlich futuristische Entwicklung darstellt, bringt uns V-Commerce fast schon wieder näher zurück zu den Wurzeln der natürlichen Kommunikation: Nachdem wir nun über Jahre hinweg unsere Finger dazu trainiert haben, die digitale Kommunikation zu übernehmen, erlauben Sprachassistenten unsere Stimme wiedereinzusetzen. Doch in diesem Fall ist unser Konversationspartner kein Mensch, sondern ein virtueller Shopping-Assistent.
V-Commerce beschreibt die Interaktion zwischen Nutzer und kommerzieller Webseite oder App, in welcher einzig und allein Spracherkennung genutzt wird, um Bestellungen aufzugeben. Dies geschieht unabhängig von Ort und Zeit. Fortgeschrittene Sprachtechnologie und künstliche Intelligenz ermöglichen es den Computer-Systemen, die menschliche Sprache zu verstehen und passend zu reagieren. Das Resultat ist ein automatisierter Einkaufsprozess zwischen Händler und Kunde.
- ComScore prognostiziert, dass bis 2020 die Hälfte aller Internetsuchen über Sprache gesteuert werden (TechCrunch).
- Laut einer Studie von Northstar Research und Google haben bereits im Jahre 2014 mehr als 50 Prozent aller amerikanischen Teenager täglich Sprachsuchen verwendet, bei den Erwachsenen waren es 41 Prozent.
Alexa – Die neue Stimme des Handels?
Als Apple 2011 die Spracherkennung Siri in ihre iPhones integrierte, waren Smartphone-Nutzer erstmals in der Lage mobile Spracherkennung zu nutzen, um beispielsweise Suchen abzufragen, Musik abzuspielen oder Nachrichten zu lesen. Heute dominieren vier Unternehmen den Markt mit ihren Produkten:
- Amazon Alexa (Software von Amazon Echo)
- Google Assistant (Software von Google Home)
- Microsoft Cortana
- Apple Siri
Alexa wurde 2014 auf den Markt gebracht und konnte schnell an der Konkurrenz vorbeiziehen. Im Vergleich zu anderer Software, wie zum Beispiel Siri, was als Vorläufer auf dem Gebiet galt, kann Alexa weit mehr als nur auf Suchfragen reagieren, das Wetter vorhersagen und Anrufe tätigen. Danke des (eine Kollektion von Self-Service APIs, Tools und Code-Dokumentationen), hat Alexa Zugriff auf über 10.000 breit gefächerte Talente (siehe ), die zum Beispiel zum Steuern von Smart Home Applicationen und Smart Cars verwendet werden können. Die wahre Stärke von Alexa steckt jedoch in der nahtlosen Integration des Bestell- und Zahlprozesses von Amazon.
- Amazon Echo war ein Überraschungserfolg: Über 3 Millionen Einheiten wurden innerhalb weniger als anderthalb Jahren verkauft (Chatbots Magazine).
- Die Echo-Verkäufe sind seit dem letzten Jahr um 400 Prozent gestiegen, laut Angaben von .
Voice-Payments auf dem Vormarsch
Voice-Payments erlauben den Nutzern Zahlungen über simple Sprachbefehl auszuführen, nachdem Account und Kreditkarte mit der Plattform des Sprachassistenten verknüpft werden. Alexa hat Zugriff auf Amazons gesamten Produktkatalog, sowie auf die Kaufhistorie der Kunden, sodass diese jederzeit Produkte nachbestellen können. Daneben verfügt der virtuelle Assistent von Amazon zudem über nützliche Sprachkommandos, mit denen der Nutzer beispielsweise Uber-Taxis oder Domino’s-Pizza bestellen oder die Spotify-Lieblingsliste abspielen lassen kann. Nach Angaben von haben Google Home und Amazon Alexa die Anzahl der Drittentwickler um mehr als 1500 Prozent erweitert, wodurch sie Zugriff auf eine haben. Alexa bietet zudem ein Tool für n: Nutzer können die Produkte auf der Liste über Sprachkommando bestellen oder beim Einkaufen im stationären Geschäft über die Alexa-App auf die Einkaufsliste zugreifen. Auch die Bank Santander erlaubt ihren Kunden Zahlungen über den Sprachassistenten ihrer App auszuführen – ein großer Schritt in die Zukunft für Mobile Banking (Telegraph.co.uk).
Was sind die Vorteile für Konsumenten und Händler?
Der Hauptvorteil für Konsumenten sind Flexibilität und Personalisierung. Sprachassistenten vereinfachen den gesamten Einkaufsprozess („Customer Journey“) vom Suchvorgang bis hin zur Lieferung und kreieren damit ein bahnbrechendes Shopping-Erlebnis.
- Consumer-First: Der moderne Konsument erwartet Komfort, Personalisierung und Unterhaltung – und genau da liegt die Stärke von Systemen wie Alexa. Durch das umfangreiche Skill-Set ermöglicht Amazon den Konsumenten das System nach persönlichen Anforderungen und Präferenzen zu gestalten. Die neue Form der Interaktion entfernt sich von Konzepten wie “mobile-first” und “digital-first” und stellt stattdessen den Konsumenten in den Fokus. Ganz im Sinne von “customer-first” passen sich Spracherkennungssysteme mithilfe von künstlicher Intelligenz an die Gewohnheiten und den persönlichen Sprachgebrauch des Kunden an und nicht andersherum.
- CRM-Daten: Das System erkennt Einkaufs-Präferenzen, sowohl im online-, als auch im offline-Umfeld. Die mobile-App kann sogar den Standort des Konsumenten bestimmen und dadurch feststellen, in welchen stationären Geschäften der Kunde einkauft. Diese und weitere App-basierte Einblicke kreieren einen wertvollen Datenpool über die Konsumenten, welches den Unternehmen hilft, das Einkaufserlebnis zu personalisieren und über alle Kanäle und Kontaktpunkte hinweg zu optimieren. Auf diesen Trend sollten Einzelhändler aufspringen: Durch die Integration ihrer Services in Plattformen wie Alexa sind Unternehmen in der Lage auf persönlichster Ebene mit dem Konsumenten zu kommunizieren. Mithilfe der gewonnen Einblicke können die Bedürfnisse der Konsumenten genauer prognostiziert und ihren Wünschen besser nachgekommen werden.
- Reibungsloses Einkaufserlebnis: Der Komfort von Sprachassistenz entpuppt sich als großer Vorteil für Konsumenten und Händler zugleich, denn durch die Vereinfachung des Transaktionsprozesses wird Shopping nicht nur weniger zeitaufwändig für den Konsumenten, sondern erhöht als Resultat auch ihre Kauffreudigkeit.
“Voice-First Marketing”
Sprachassistenten stellen nicht nur eine innovative Plattform für den Verkauf von Produkten oder Services dar, sondern auch für deren Vermarktung. Der neue Kanal hat das Potential die Art und Weise, mit der Konsumenten mit dem Internet interagieren, einschließlich Produktsuche und –kauf, komplett zu verändern. SEO ist ein großer Teil jeder Marketingstrategie, wird sich aber durch die Einführung von Sprach-Interfaces drastisch verändern. Computer-Linguistik wird eine Schlüsselrolle in SEO-Taktiken einnehmen und Online-Plattformen müssen für Sprachsuchen angepasst werden. Metadaten und Keywords werden nicht mehr ausreichen. Zusätzlich werden Händler künftig vor neue, kreativen Herausforderungen gestellt, wenn es um die Gestaltung der Marketing-Kampagnen geht, da visuelle Inhalte nur limitiert auf Voice-Medien dargestellt werden können.
Wie können stationäre Händler Voice-Commerce im Laden nutzen?
Sprachassistenten liefern relevante Informationen schneller als menschliche Assistenten es können, was in zu einer erhöhten Produktivität im Laden beiträgt. Unternehmen wie Theatro rüsten das Geschäfts-Personal mit Hörern aus, die an Sprachassistenten geknüpft sind, wodurch nicht nur die Kommunikation zwischen Mitarbeiter und Besucher verbessert wird, sondern auch eine reibungslose Rückkopplung mit Inventar- und POS-Software ermöglicht. Statt die Verfügbarkeit von Produkten eigenhändig zu überprüfen, können Mitarbeiter durch den Einsatz von intelligenten Sprachassistenten viel Zeit einsparen und dem Kunden ihre volle Aufmerksamkeit für persönliche Beratung schenken.
Ist der Einzelhandel bereit für V-Commerce?
V-Commerce ist eindeutig eine vielversprechende Innovation für Einzelhandels-Unternehmen. Einige Fragen bleiben jedoch noch ungeklärt: Wie wird der Kanal den stationären Einzelhandel, so wie wir ihn heute kennen, verändern und wann etabliert sich das System, nicht nur in den deutschen Haushalten, sondern auch im stationären Geschäft? Eine Sache aber ist sicher: Die Neugierde der Konsumenten ist geweckt und die Technologie ist reif; tatsächlich verzeichnet die maschinelle Sprachverarbeitung heute eine Genauigkeitsrate von über 90 Prozent beim Verstehen von Befehlen.
Werden die Konsumenten die Innovation tatsächlich akzeptieren?
Die Technologie birgt neue Schwierigkeiten, die es zu berücksichtigen gilt. Da Sprachassistenten den Konsumenten „lauschen“, mit dem Ziel, das Angebot zu personalisieren und Verhaltensmuster von Konsumenten zu lernen, besteht die Gefahr in Grauzonen der Nutzer-Privatsphäre einzutreten. Eine weitere Hürde, mit der Amazon bereits konfrontiert wurde, ist die Sicherheit des Systems. Als ein kleines Mädchen in Dallas, Texas, sich ein Puppenhaus und Kekse von Alexa gewünscht hat, waren die Eltern mehr als erstaunt, als das teure Geschenk plötzlich unerwartet eintraf. Als Reaktion wurde eine PIN-Identifikation eingeführt.
Folgende Gründe sprechen jedoch dafür: Mit der wachsenden Nutzung von mobilen Messaging-Apps und Chatbots wird der Handel interaktiver. Digitale Konversation entsteht als neue Form der Interaktion zwischen Konsument und Unternehmen. Jüngste Innovationen, wie zum Beispiel Smartwatches, die nur eine kleine Oberfläche besitzen und wenig Berührungspunkte bieten, unterstützen somit die Verbreitung von Sprachassistenz und -kommerz.
Obwohl die Fehlerrate von Spracherkennungs-Software bereits werden konnte, muss die Performance, die Nutzerfreundlichkeit und die Integration in die bestehenden Prozesse und Strukturen der Unternehmen weiterhin verbessert werden. Mit all den Hürden steht V-Commerce noch vor einer langen Reifeprüfung, doch es ist auf dem richtigen Weg sich zum gängigen Shopping-Kanal im Einzelhandel zu etablieren. Die Erwartungen der Konsumenten steigen und Händler müssen passende Lösungen finden, um das Einkaufen einfacher und angenehmer zu gestalten. Die neusten Entwicklungen im V-Commerce packen genau diese Herausforderung an und versprechen neue und aufregende Möglichkeiten für den Einzelhandel der Zukunft.